SOPHIE KINSELLA

Sophie Kinsella - das Porträt

Balanceakt mit Büchern

Ein Portrait von Judith Spelman übersetzt von Jörn Ingwersen

In zwei sehr unterschiedlichen Stilen zu schreiben, ist ein wahrer Balanceakt für die Autorin Madeleine Wickham, die sich für ihre Shopaholic-Reihe und fünf weitere Romane in Sophie Kinsella verwandelte. Judith Spelman weiß mehr darüber.

Die Fans von Sophie Kinsella sagen, wer ihre Bücher einmal angefangen hat, kann sie nicht mehr aus der Hand legen. Sie haben völlig recht. Ich fing ihren neuesten Roman „Kein Kuss unter dieser Nummer“ an, und Stunden später war ich noch immer darin vertieft. Sie erfindet absolut glaubwürdige Charaktere, versetzt diese in turbulente Situationen, die für den Leser komplett nachvollziehbar sind, und packt das alles in eine Handlung, die mit atemberaubender Geschwindigkeit voranstürmt.

Sophie Kinsella ist das Pseudonym von Madeleine Wickham, die schon unter ihrem richtigen Namen mehrere erfolgreiche Romane veröffentlicht hat. Das war jedoch keineswegs der Beginn ihrer beruflichen Laufbahn, denn nach dem Studium wurde sie zunächst Finanzjournalistin. „Nicht gerade mein Traumjob, aber immerhin ein Job“, erklärt sie. „Ich hatte mir den Media Guardian gekauft und mich für alles Mögliche beworben, aber nur Pensions World bot mir einen Job an, worüber ich damals sehr froh war. Die Arbeit entpuppte sich außerdem als perfekter Einstieg ins Schreiben, denn auf diesem Weg habe ich gelernt, jedes Thema so interessant wie möglich zu gestalten. Aber so gut der Job auch gewesen sein mag, das Rentenwesen war denn doch kein Thema, mit dem ich mich die nächsten dreißig Jahre beschäftigen wollte.“

Beim täglichen Pendeln zur Arbeit verschlang sie außerdem einen Roman nach dem anderen, und schnell wurde ihr klar, dass eines Tages selbst einen schreiben wollte. „Ich fing an, mir Geschichten zu überlegen, die ein Buch wert sein könnten. Und als ich die Idee für „Die Tennisparty“ hatte, entschloss ich mich, es zu wagen. Meine Erfahrungen als Finanzjournalistin bei Resident Abroad, einer Publikation der Financial Times, waren dabei sehr hilfreich, denn der gesamte Plot meines ersten Buches dreht sich um einen Finanzbetrug.“

Kaum hatte sie den Anfang ihrer ersten Geschichte geschrieben, spürte sie, dass sie in ihrem Element war. Es fühlte sich einfach viel natürlicher an als der ewige Zwang, finanzielle Zusammenhänge interessant klingen zu lassen. Sie schrieb abends und an den Wochenenden, und während der Bahnfahrten zur Arbeit machte sie sich immerfort Notizen.

„Man kann sich beim besten Willen nicht frei entfalten, wenn man trockene Texte über Jahresrenten schreibt“, erklärt sie. „Es läuft nämlich immer nach demselben Schema: Man überlegt sich, was man sagen will, besorgt sich passende Zitate und bastelt dann alles zu einem Artikel zusammen. Mit Herzblut hat das nichts zu tun. In Gedanken war ich die meiste Zeit bei meinem Buch und musste mich eher widerwillig dazu durchringen, Texte über Kapitalrenditen zu schreiben.“

Damals verstand sie noch nichts vom Verlagsgeschäft und hatte auch keinerlei Beziehungen. Sie suchte sich einfach die Namen von Literaturagenten aus dem Writers’ & Artists’ Yearbook, und tatsächlich wurde ihr Roman von Peters, Fraser & Dunlop angenommen. Bei dieser Agentur stand damals auch Joanna Trollope unter Vertrag, eine jener Autorinnen, deren Bücher Madeleine so gern im Zug gelesen hatte.

„Am liebsten waren mir immer Geschichten über Menschen, die ich verstehen und mit denen ich mich identifizieren konnte“, erinnert sie sich. „Es gab einmal eine ganze Welle von Romanen, die größtenteils in einer völlig abgehobenen Glitzerwelt spielten und in denen die Leute unentwegt um die Welt jetteten. Das war mir alles viel zu weit weg von meinem eigenen Leben. Mir sind Bücher über ganz normale Leute viel näher, und ich fand Geschichten, die aus dem Leben gegriffen sind, eigentlich schon immer am spannendsten.“

Beim Erfinden von Figuren und Plots wuchs ihr Wunsch, sich selbst neu zu erfinden, und so verwandelte sie sich mit „Die Schnäppchenjägerin“ in Sophie Kinsella. „Das kam nur durch die Idee zu diesem Buch. Ich hatte eine Art Erleuchtung, als mir auffiel, wie seltsam wir uns beim Einkaufen oft verhalten, und dass Shoppen an sich ein enorm komisches Potential besitzt“, erklärt sie. „Nachdem ich das erkannt hatte, sah ich auch schon eine Figur und einen Plot vor mir, einen kompletten Roman, der geschrieben werden wollte. Ich war ganz aufgeregt. Gleichzeitig wusste ich, dass er sich stilistisch von meinen bisherigen Büchern unterscheiden sollte. Mir war irgendwie klar, dass ich diesmal in der ersten Person schreiben musste, sehr schnell und im Präsens. Das war alles Neuland für mich und sprach auch dafür, einen anderen Namen zu verwenden. Ich wollte meine Leser nicht in die Irre führen. Ich hatte ja mittlerweile eine gewisse Anhängerschaft, und die erwartete eine bestimmte Art von Roman von mir. Davon plötzlich abzuweichen, kam mir irgendwie falsch vor. Abgesehen davon hatte ich ja keine Ahnung, ob es mit dem neuen Buch überhaupt klappen würde.“

Freunde und Bekannte waren überzeugt davon, dass sich ein Buch übers Shoppen gut verkaufen würde, nur sie selbst hatte da so ihre Zweifel. „Ich war ziemlich nervös, weil es mir damals eher absurd vorkam, gleich einen ganzen Roman über eine Journalistin zu schreiben, deren Konto in den Miesen ist. Witzigerweise hat Becky Bloomwood im ersten Band der Shopaholic-Reihe fast genau den Job, den ich früher hatte. Aber es war mir sehr wichtig, unter meinem anderen Namen auf keinen Fall als Erstes einen autobiographischen Roman zu schreiben.“

Also schlug sie in Bezug auf Alter und Prägung ihrer Figuren geflissentlich die entgegengesetzte Richtung ein. Dann, nach mehreren Büchern, traute sie sich schließlich, aus ihren eigenen Erfahrungen zu schöpfen. Sophie glaubt, dass man Mut braucht, um sich an Komödien zu versuchen. Aber die harte Arbeit an den ersten Romanen gab ihr das nötige Selbstvertrauen, sich etwas zu entspannen und ihre Leser nicht mehr beeindrucken, sondern vielmehr unterhalten zu wollen.

„Mir gefällt die Vorstellung, dass ich eine andere Welt erschaffe, eine, in der es etwas romantischer zugeht als in unserer“, sagt sie. „Auch dort gibt es Bösewichte, aber die sind nicht allzu böse, und am Ende klärt sich immer alles auf. Es ist eine hübsche Welt, und die Idee dazu fühlte sich doch etwas anders an, als alles, was ich bisher gemacht hatte. Daher sollte auch ein anderer Name auf dem Umschlag stehen – passend zu der neuen Stimme.“

Das klingt alles ein bisschen so, als hätte sie sich gezielt eine gespaltene Persönlichkeit zugelegt. Wie bringt sie es nur fertig, sich immer bewusst zu sein, an welcher Art von Buch sie gerade schreibt? Offensichtlich hat sie alles im Griff. „Ich habe abwechselnd an den Romanen gearbeitet“, erklärt sie. „Bei meinem ersten Shopaholic-Roman stand ich noch als Madeleine Wickham unter Vertrag. Ich hätte gern beide Reihen gleichzeitig am Laufen gehalten, aber dafür fehlt mir einfach die Zeit. Inzwischen verkaufen sich meine Bücher in so vielen Ländern, und das ganze Drumherum hat sich extrem verändert. Früher beschränkte sich die gesamte Öffentlichkeitsarbeit auf ein jährliches Event, und da gab es auch diese ganzen Online-Geschichten noch nicht. Früher wechselte man ein Jahr lang kein Wort mit seinem Verleger, und nur in den zwei Wochen um eine Veröffentlichung herum trat man auf und ging auf Lesereisen und solche Sachen, dann fuhr man wieder nach Hause. Mittlerweile muss man im Grunde das ganze Jahr über präsent sein, was eine ziemliche Herausforderung darstellt, wenn man eigentlich in Ruhe schreiben sollte.“

Sophie hat bislang achtzehn Bücher veröffentlicht, sieben als „Madeleine Wickham“, sechs in der Shopaholic-Reihe und dazu vier eigenständige Romane ebenfalls unter dem Namen „Sophie Kinsella“. Fast steht sie an einem Scheideweg, was ihr Schreiben angeht. Wird sie wieder zu ihrem Madeleine-Wickham-Stil zurückkehren oder bei der romantischen Komödie bleiben? „Ich genieße es sehr, Komödien zu schreiben“, sagt sie. „Beide Stile haben Vor- und Nachteile, und ich mochte die Bücher mit den ganzen verschiedenen Charakteren und Perspektiven sehr gern. Aber im Augenblick gefällt mir die Ausgelassenheit der Shopaholic-Bücher am besten.“

Ihre Schreibgewohnheiten sind sehr professionell. „Ich betreibe die Schriftstellerei wie einen Job, den ich glücklicherweise von zu Hause aus erledigen kann“, sagt sie. „Wenn mich der Lärm allerdings zu sehr stört, arbeite ich manchmal in einem Büro um die Ecke. Bei meinen Büchern gibt es zwei Stadien. Erst plane ich sie, was ich nicht am Computer machen kann. Die Umsetzung kommt viel später. Ich denke vorher lange und intensiv über eine Idee nach, die ich dann mindestens ein Jahr mit mir herumtrage, bevor ich den ersten Satz schreibe. Ich brauche immer viel Zeit, bis diese Ideen funktionieren. Mitunter hat man einen genialen Einfall, der sich bei näherer Betrachtung als gar nicht mehr so toll herausstellt. Mir schwirren immer eine Menge Ideen durch den Kopf, und bei einer denke ich dann: Die will ich umsetzen, die hat was, an die glaube ich. Je mehr ich schreibe, desto mehr plane ich.“

Jeder Schriftsteller hat seine eigene Herangehensweise, so auch Sophie: „Zunächst überlege ich mir das Grundgerüst der Handlung. Ich habe festgestellt, dass es schon mal daneben geht, wenn ich die Geschichte von vornherein in Kapitel aufteile. Zu dem Zeitpunkt weiß ich oft noch nicht genau, wie viel Zeit eine Szene oder ein Gedanke oder ein bestimmtes Thema letztlich braucht. Es könnte ein halbes Kapitel sein, oder auch nur ein Absatz, also möchte ich keine starre Kapitelstruktur. Aber ich habe einen Plan, wohin die Geschichte will und was die dramatischen Wendepunkte sind.“

Allerdings bleibt sie auch bei der Planung flexibel und probiert verschiedene Methoden. „Ich formuliere jeden Gedanken aus und verwende unterschiedliche Stifte für unterschiedliche Handlungsstränge. Und weil ich am Computer leicht den Überblick verliere, halte ich meine Ideen ständig und überall in einem Notizbuch fest – kurze Dialoge oder lustige Szenen, die ich irgendwo unterbringen möchte, ohne genau zu wissen, wo. Das dauert normalerweise gut zwei Monate, und ich lasse mir dabei viel Zeit. Dabei tritt so etwas wie ein Schneeballeffekt ein. Ich glaube, es arbeitet in einem, bis dieses ‚Ding’ lebendig wird und man endlich loslegen kann. Vorher etwas erzwingen zu wollen, wäre völlig sinnlos. Natürlich stößt man im Laufe der Arbeit auch auf große Lücken und merkt, wie blind man war! Aber es ist schon eine Menge passiert, bevor ich irgendwann den ersten Satz schreibe.“

Ihr Tag beginnt damit, dass sie ihren Sohn zur Schule bringt. Es ist ein schöner Spaziergang, den sie nutzt, um einen klaren Kopf zu bekommen, damit sie sich zu Hause gleich an den Schreibtisch setzen kann. „Ein Zeitlimit habe ich eigentlich nicht, aber tausend Wörter pro Tag sollten es schon sein“, sagt sie. „Wenn man nur lange genug tausend Wörter pro Tag schreibt, hat man irgendwann einen ganzen Roman. Bei mir dauert es ungefähr sechs Monate, bis ein Buch unter Dach und Fach ist. Ich schreibe wild drauf los, drei oder vier Kapitel, aber dann gehe ich wieder zum Anfang zurück und sehe mir ganz genau an, was ich bisher geschrieben habe. Danach geht’s weiter. Auf keinen Fall powere ich von Anfang bis Ende durch, um einen ersten Entwurf zu bekommen. Denn sobald ich merke, dass in der Geschichte irgendein Problem auftaucht, muss ich es sofort aus der Welt schaffen. Ich kann an so einem Punkt nicht einfach weiterschreiben. Also korrigiere ich im Grunde schon, während ich noch schreibe. Das geht so weit, dass ich mich um das letzte Kapitel wirklich erst dann kümmere, wenn ich mit allem, was ich vorher geschrieben habe, zu hundert Prozent zufrieden bin. Oft lasse ich den Text eine Woche liegen, nehme ihn mir dann noch einmal vor und stelle fest, dass ich einen Teil ändern möchte. Das Ende bleibt so lange ungeschrieben, bis ich tatsächlich bereit bin, das Buch aus der Hand zu geben.“

Für alle, die sie um einen schriftstellerischen Rat bitten, hat sie ein paar klare Anregungen parat. „Wenn man unentschlossen ist, was man will, schreibt man am besten genau das Buch, das man selbst gern lesen würde“, sagt sie. „Ehrlich gesagt, mache ich es genauso. Ich schreibe Bücher, die ich selbst gern lesen würde. Aber erzähl niemandem von dem großartigen Roman, an dem du gerade arbeitest. Behalt es lieber für dich. Es setzt dich nur unnötig unter Druck. Und bevor du anfängst, geh noch einmal in dich, frag dich ganz ehrlich, ob deine Idee wirklich so großartig ist, dass sie ein gesamtes Buch trägt. Denn einen Roman zu schreiben, ist harte Arbeit. Jeder kann ein phantastisches erstes Kapitel schreiben und davon total begeistert sein. Schwierig wird es, wenn man anfängt, sich mit dem achten und dem zwölften Kapitel herumzuschlagen. Fang also erst an, wenn du weißt, was in der Mitte passiert und wie die Geschichte endet. Ich will nicht kategorisch behaupten, dass man von Anfang an den ganzen Plot kennen sollte, weil ich weiß, dass viele Autoren anders vorgehen. Sie fangen einfach mit einer Idee an, und das Schreiben wird zum Abenteuer. Aber man muss sich vollkommen sicher sein, dass der Grundgedanke oder die Hauptfigur oder was sonst der Ausgangspunkt sein mag, auch wirklich genug hergibt. Ein Gedanke ist wie ein Samenkorn: Es muss genug in ihm stecken, damit daraus ein Baum wächst.“

Sie ist überzeugt, dass man an der Handlung und den Figuren ständig feilen muss. „Viele Leute meinen, dass sich Geschichten einfach so ereignen. Ihnen ist gar nicht bewusst, dass man sich jedes Detail ausdenken muss. Einen ganz besonderen Tipp habe ich einmal in einem Drehbuchseminar gehört, und er ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben: Menschen sind tendenziell apathisch; sie tun in jeder Situation gerade so viel, wie sie müssen. Entsprechend hat man ein Problem, wenn eine Figur überagiert und dadurch unglaubwürdig wird. Man muss seine Figuren realistisch handeln lassen. Sie müssen das tun, was man selbst in einer ähnlichen Situation auch tun würde: Würde ich tatsächlich von meinem Stuhl aufstehen, würde ich wirklich diese Sachen sagen? Man sollte sich ständig fragen: Ist das authentisch? Fühlt es sich echt an? Die Protagonisten müssen sich in ihrer Welt durchweg konsequent verhalten.“

Madeleine Wickham im Profil

1988 studierte sie Philosophie, Politik und Ökonomie am New College, Oxford

1992 arbeitete sie als Finanzjournalistin bei Pension World und Resident Abroad.

1995 wurde ihr erstes Buch, „Die Tennisparty“, veröffentlicht

1995-2001 schrieb sie sieben Bücher als „Madeleine Wickham“

2000 wurde der erste Sophie-Kinsella-Roman „Die Schnäppchenjägerin“ veröffentlicht.

2009 wurden die ersten beiden Shopaholic-Bücher zu einem Film adaptiert

2012 erscheint „Kein Kuss unter dieser Nummer“

Grußwort von Sophie Kinsella

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